Magazinrundschau

Wie ein verfaulender Organismus

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
14.05.2024. Desk Russie erkennt die große Lehrmeisterin Putins: Katharina die Große. Films in Frame durchwandert Bukarest im neuen rumänischen Kino. Pro Publica untersucht die Machenschaften chinesischer Drogenkartelle in den USA. Der New Statesman nimmt das Problem der Tories, aber eigentlich aller etablierten Parteien in Europa aufs Korn. New Lines schreibt in der Al-Ula Wüste die Geschichte der Steinzeitgesellschaften neu. Der New Yorker schildert den unsanften Umgang der jordanischen Polizei mit Pro-Palästina-Demonstranten. Projekt sucht den Palast Putins am Schwarzen Meer und findet ein Hotel mit dem Heiligen Fürsten Wladimir in der Hauskirche.

Desk Russie (Frankreich), 12.05.2024

Der Ukraine-Krieg war immerhin gut dafür, dass der Westen einiges über das Wesen des russischen Kolonialismus lernen konnte. Es handelt sich um einen Expansionismus, so Françoise Thom, und dieser hat mehrere Prinzipien, zum Beispiel, dass man immer mal Komplizen mit profitieren lässt, wenn man sich Territorien aneignet (Hitler-Stalin-Pakt), dass man die Bevölkerungen unterworfener Länder einsetzt, um weitere Länder zu erobern (wie jetzt die Tschetschenen). Und schließlich kommt das Prinzip der absoluten Macht des Anführers hinzu: "Die absolute Macht des Monarchen wird durch die ständige Vergrößerung des Territoriums gerechtfertigt, das wiederum zu seiner Erhaltung eine despotische Herrschaft erfordert. Die territoriale Expansion legitimiert die Autokratie: 'Die große Ausdehnung des Staates erfordert, dass die absolute Macht sich in der Person verkörpert, die die Regierung sicherstellt, eine Großmacht fordert eine despotische Herrschaft', schrieb Katharina II… Voltaire vertraute sie an: 'Wir haben keine anderen Mittel gefunden, unsere Grenzen zu sichern, als sie zu erweitern.' Der Sekretär Katharinas II. schrieb: 'Die kleinste Schwächung der Autokratie würde zum Abfallen vieler Provinzen, zur Schwächung des Staates und zu unzähligen Unglücksfällen für das Volk führen... ' Davon sind die Russen auch heute noch überzeugt. Es ist also nicht verwunderlich, dass Putin zu einem Zeitpunkt, an dem er sich de facto zum lebenslangen Diktator erklärt, einen Eroberungskrieg führt."

Laetitia Spetschinsky zeigt auf, wie Wladimir Putin nach und nach die russischen Eliten "austauscht". Mit unterschiedlichen Maßnahmen werden Kreml-treue Akteure in Politik, Verwaltung und Militär gefördert Personen, die 'zuverlässig sind und ihre Loyalität bewiesen haben', zitiert Speschinsky aus einer Rede Putins vom Februar 2024, sollen diejenigen ersetzen, die sich 'diskreditiert haben', indem sie in den 1990er Jahren Vermögen und Privilegien angehäuft haben. Es ist klar: "Putin will die Nation nach seinem Bild umgestalten, seine Prinzipien in den tiefsten Winkeln der föderalen Verwaltung verankern und die Reihen für eine langfristige ideologische Konfrontation mit dem Westen schließen. Diese neue Säuberung der Eliten, diesmal in Wirtschaft und Justiz, kündigt eine große Herausforderung für Europa an: Es muss sich auf unbestimmte Zeit mit einem Staat auseinandersetzen, der auf allen Ebenen von der Generation 'Z' (nach dem Symbol des Krieges in der Ukraine) geführt wird, die sich ihre Sporen in der Abneigung gegen den Westen verdient hat und ihr neues Glück allein dem Herrn im Kreml verdankt - und seinem militärischen Abenteurertum."
Archiv: Desk Russie

Films in Frame (Rumänien), 14.05.2024

Szene aus Radu Judes Film "Bad Luck Banging"

Die rumänische Filmwebsite Films in Frame publiziert in einer Reihe über Großstädte im Kino einen Essay des Filmkritikers Victor Morozov. Im Eilschritt unternimmt Morozov einen Streifzug durch Filme des sozialrealistischen Kinos Rumäniens, die in Bukarest spielen, und damit durch Bukarest selbst, die Stadt, in der die ineinander fallenden Trümmer der sozialistischen Vergangenheit und die Träume der marktwirtschaftlichen Gegenwart naturgemäß am eklatantesten sichtbar sind: "Erst als Radu Jude auf der Szene auftauchte, gewann Bukarest wieder Farbe. Im wahrsten Sinne des Wortes: Man muss nur die chromatische Explosion von 'Bad Luck Banging or Loony Porn' (2021, mehr hier) zur Kenntnis nehmen, um zu verstehen, dass Jude sich im Geiste Walter Benjamins von den widersprüchlichen Strömen der Stadt durchqueren lässt, sie aufspürt, sie verstärkt und so die veraltete Unterscheidung zwischen Dokumentarfilm und Fiktion endgültig aufhebt: Die Hauptstadt ist in seinen Filmen ein Wahn von Reizen, der die realen Gegebenheiten der Stadt aufgreift. In der Tat sind diese Gegebenheiten der Ausgangspunkt einer Filmografie, die als fiktionaler Überbau auf dem sterbenden, zuckenden Körper einer realen Stadt errichtet ist, die an einem bestimmten Punkt der Geschichte festgehalten wurde."
Archiv: Films in Frame

Propublica (USA), 13.05.2024

Propublica und die Zeitschrift The Frontier präsentieren eine gemeinsame Recherche über die Machenschaften chinesischer Drogenkartelle in den USA. Es geht vor allem um die Produktion von Cannabis in Hinterwäldlerstaaten wie Oklahoma, die die amerikanischen Behörden zutiefst beunruhigen, denn die chinesischen Mobster sind auch daran beteiligt, Geld aus dem supertödlichen Fentanyl-Business zu waschen. Und sie unterhalten beste Beziehungen zum Regime Xi Jinpings: "Da China zum wichtigsten geopolitischen Rivalen der Vereinigten Staaten aufgestiegen ist und in diesem Land dreiste Spionage- und Beeinflussungsaktivitäten durchführt, stellt die Ausbreitung der chinesischen Mafia in Oklahoma und anderswo auch eine potenzielle Bedrohung der nationalen Sicherheit dar, sagen Staats- und Bundesbeamte. Wie ProPublica und The Frontier herausgefunden haben, stehen führende Vertreter chinesischer Kulturvereine in Oklahoma und anderen Bundesstaaten angeblich sowohl mit dem illegalen Marihuana-Handel als auch mit chinesischen Regierungsvertretern in Verbindung. Eine Reihe von einflussreichen Anführern wurde wegen Verbrechen angeklagt oder verurteilt, die von Drogendelikten bis zur Einschüchterung von Zeugen reichen. 'Es wäre sehr naiv zu behaupten, dass der chinesische Staat nicht weiß, was das chinesische organisierte Verbrechen in den USA tut', sagt der Drogenfahnder der Polizei von Oklahoma Donnie Anderson, 'oder dass es keine Verbindung zwischen dem chinesischen Staat und dem organisierten Verbrechen gibt'."
Archiv: Propublica

New Statesman (UK), 13.05.2024

Noch regieren die Tories in Großbritannien, aber die Zukunftsaussichten der Partei sind finster. Ein Sieg der Labour-Opposition bei den nächsten Parlamentswahlen gilt als ausgemacht, vor allem jedoch fehlt es der Partei, wie Rachel Cunliffe analysiert, an Visionen für die Zukunft. "'Die Konservative Partei ist nicht wie eine fehlerhafte Maschine', sagte mir der konservative Kommentator und ehemalige Redenschreiber Tim Montgomerie. 'Sie ist eher wie ein verfaulender Organismus. Ein Gift ist in den Boden eingedrungen, aus dem die Konservative Partei gewachsen ist. Es ist nicht nur die Haupternte des Wahlerfolgs, die abstirbt; es ist das Blätterdach, es sind die Samen der nächsten Generation. Es ist, als ob alles in einem gewaltigen Maßstab stirbt, weil der Lebensraum zusammengebrochen ist.' Was Montgomerie als das 'politische Äquivalent der Ulmensterbens' bezeichnet, ist nicht einzigartig für die Tories. Andere lang etablierte Parteien - in den USA, in ganz Europa, die britische Labour Party miteingeschlossen - stehen ebenfalls vor der Herausforderung, sich in einem Zeitalter der sozialen Medien, zunehmender Polarisierung, sich verändernder geopolitischer Trends und demografischer Veränderungen anzupassen. (Die Labour-Partei hat in muslimischen Gemeinschaften massiv an Unterstützung verloren, wie mir ein Tory-Abgeordneter mitteilte, obwohl dies wahrscheinlich bei der nächsten Wahl nicht viel ausmachen wird.) Aber, wie die Kommunalwahlen gezeigt haben, ist der Niedergang der Tories weiter fortgeschritten. 'Es sind nicht nur die Umfragewerte; es ist wie ein vollständiger Zerfall einer Institution', warnt Montgomerie. 'Wir sind wie eine Monokultur, ausgebildet für ein politisches Klima. Dann ändert sich das politische Klima und wir stellen fest, dass wir isoliert sind: In einem bestimmten Temperaturbereich, einem Bereich von Niederschlägen geht es uns gut, aber dann ändert sich das Wetter, das Klima ändert sich und wir brechen zusammen.'"
Archiv: New Statesman
Stichwörter: Tories, Großbritannien

Aktualne (Tschechien), 06.05.2024

In seinem Nachruf auf den Literaturwissenschaftler Peter Demetz, der kürzlich mit 101 Jahren verstarb, würdigt Daniel Konrád den gebürtigen Prager und späteren US-Bürger nicht nur als "renommierten Germanisten und Essayisten, sondern auch als Zeugen des 20. Jahrhunderts". Demetz, dessen jüdische Mutter von den Nazis deportiert wurde und im Konzentrationslager starb, entkam selbst nur knapp der Erschießung. "Vom nordböhmischen Zwangsarbeitslager aus sah er den rot und gelb gefärbten Himmel über dem bombardierten Dresden. Am selben Abend tötete eine von den Allierten auf Prag abgeworfene Bombe seine Protektoratsliebe, die Deutschböhmin Waltraut." Auch noch Ende des Kriegs erlebte Demetz nationalsozialistische Gewalt, aber auch von Tschechen verübte Gewalt an Deutschen. Diese Erfahrungen bewirkten, dass er seine Heimatstadt Prag gleichermaßen "golden und schwarz" sah (so auch der Titel eines seiner Bücher), sie "ebenso liebte wie hasste". Nach der Übernahme der Kommunisten emigrierte Demetz zunächst nach Deutschland, dann in die USA, wo er als Germanistikprofessor lange an der Yale University wirkte. Er "galt als letzte Verbindung zur Welt der Prager deutsch-jüdischen Literatur". Gleichzeitig verwahrte er sich in seinen Aufsätzen und Erinnerungen stets gegen den romantischen Mythos des "magischen, mystischen Prags der Alchemisten" und setzte ihm ein Prag der "Könige, der Hussiten, der Aufklärung, des Kubismus und der Ersten Republik" entgegen. Sein Interesse galt dem vielsprachigen, multiethnischen Prag, das jahrhundertlang von Tschechen, Deutschen, Juden und Italienern bewohnt wurde, "deren Schnittstellen und kulturelles Erbe er in allen Details kannte", so Daniel Konrád. Dass Prag im neuen Jahrtausend auf andere, nämlich slawischere Weise wieder kosmopolitisch wurde, habe Demetz nicht als Tragödie betrachtet. "Nun leben hier Russen, Polen, Ukrainer, Slowaken. Das ist auch eine Chance. So ergeben sich nun mal die Dinge", zitiert Konrád den Verstorbenen.
Archiv: Aktualne
Stichwörter: Demetz, Peter, Tschechien, Prag

New Lines Magazine (USA), 13.05.2024

Lydia Wilson schließt sich einem Archäologenteam in der Al-Ula Wüste Saudi-Arabiens an, um nach Spuren einer "entlegenen Kultur aus der Jungsteinzeit" zu suchen. Vor Kurzem erst haben Archäologen begonnen, sich mit den Überresten dieser Kulturen zu beschäftigen, die älter sind als die besser erforschten Nabatäer, ein Verbund antiker nordwestarabischer Nomadenstämme. Die Funde, die hier vor Kurzem gemacht wurden, sind sensationell für die Erforschung steinzeitlicher Gesellschaften, freut sich Wilson: "'Sehen Sie diese dunklen Linien, die den Abhang hinunterführen?' Mein Gastgeber, der Archäologe Hugh Thomas von der University of Sydney, fährt mich tief in die wunderschöne Wüste östlich von Al-Ula. Das ist leicht zu bejahen. Sie schneiden sich durch das hellere Sandsteingeröll an der Seite des Felsvorsprungs. Dies ist ein 'Mustatil', was auf Arabisch 'Rechteck' bedeutet. Dies ist mein erster Blick auf eines dieser monumentalen Bauwerke aus dem späten sechsten Jahrtausend v. Chr., die über die Landschaft verstreut sind. Vom Hubschrauber aus sind sie deutlich zu erkennen, und viele sind auch von einem Auto aus zu sehen, das durch die Wüste fährt; trotz ihrer niedrigen Mauern sind sie landschaftsprägend...Die Mustatils haben gezeigt, wie hoch entwickelt diese Menschen sein konnten. Das zeigt sich sowohl an ihrem Umfang - jede Trockenmauer erfordert viel Arbeit für viele Menschen - als auch an der Weite, in der sie gefunden wurden. Es gab eindeutig eine Art Ideologie, die die Menschen über ein riesiges Gebiet hinweg vereinte, sowie soziale Strukturen, die in der Lage waren, ein einheitliches Ritual aufrechtzuerhalten, und technologisches Know-how. Mit anderen Worten: Eine kürzlich gemachte archäologische Entdeckung in den abgelegenen Wüsten Saudi-Arabiens schreibt die Geschichte der steinzeitlichen Gesellschaften auf der ganzen Welt neu."

Eurozine (Österreich), 13.05.2024

Die Politikwissenschaftlerin Veronica Anghel schreibt über Verschiebungen innerhalb der EU und ihren osteuropäischen Mitgliedern seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Wiederbelebung des europäischen Interesses am weitgehende vernachlässigten östlichen Rand Europas, so Anghel, habe den europäischen Traum einiger dieser Staaten neu entfacht. Allerdings stehen dem Traum von der EU weiterhin antiliberale und antidemokratische Praktiken in diesen Ländern im Wege. Aus dieser Perspektive schreibt Anghel unter anderem über Georgien: "Georgien verfolgt offiziell die EU-Integration als seine wichtigste außenpolitische Priorität. In einer Umfrage von Anfang 2023 sprachen sich 89 Prozent der georgischen Bevölkerung für einen EU-Beitritt aus, und die Regierungspartei Georgischer Traum - Demokratisches Georgien (GD-DG) behauptet, eine pro-europäische Agenda zu verfolgen. Doch obwohl die EU Georgien im Dezember 2023 den Status eines Beitrittskandidaten zuerkannt hat, verfolgt Tiflis die Reformen nicht mit der gleichen Entschlossenheit wie Moldawien oder die Ukraine und unternimmt gelegentlich Schritte, die das Land von seinem EU-Kurs abbringen. Zuletzt warf ein von der GD-DG unterstütztes 'Gesetz über ausländische Agenten' nach russischem Vorbild Fragen über das Engagement des Landes für die Werte der EU auf. [...] Darüber hinaus haben kürzlich vorgeschlagene Anti-LGBTQ+-Gesetze, die es Menschen verbieten würden, ihr Geschlecht zu ändern, und gleichgeschlechtlichen Paaren untersagen würden, Kinder zu adoptieren, auch die Kritik westlicher Politiker auf sich gezogen".
Archiv: Eurozine
Stichwörter: EU, Osteuropa, Georgien

Meduza (Lettland), 10.05.2024

Wie hat die Stiftung für Korruptionsbekämpfung (FBK) nach der Verhaftung von Alexeiy Nawalny und ihrer Einstufung als "terroristischer Organisation" gearbeitet, fragt Meduza Leonid Volkov, den ehemaligen Vorsitzenden der Stiftung, und FBK-Direktor Ivan Zhdanov. "Statt physischer Büros in Russland verfügt die Gruppe nun über 'eine sichere Online-Plattform, auf der [die Organisatoren] mit den Aktivisten über nützliche Aufgaben kommunizieren können, und die Aktivisten wählen die Aufgaben nach dem Risiko aus, das sie bereit sind, auf sich zu nehmen', erklärte Volkov. Die Plattform verwendet einen Tor-Browser, so dass sie von der russischen Regierung nicht blockiert werden kann. Jeder kann eine Bewerbung ausfüllen, und die Bewerber werden je nach ihren Fähigkeiten (IT-Spezialisten, Designer, Filmemacher usw.) in Chatrooms eingeteilt. Bislang haben sich zwanzigtausend Menschen angemeldet, um zu helfen, mit 1.000 bis 4.000 aktiven Mitgliedern zu jeder Zeit. Ein aktiver Teilnehmer des FBK-Untergrundnetzwerks erzählte Meduza, wie das System funktioniert: 'Es handelt sich um eine Reihe von anonymen Chats, in denen die Leute miteinander kommunizieren und sich gegenseitig unterstützen können. Es werden auch FBK-Flyer und -Plakate verschickt, und die Leute können sich gegenseitig mit neuen Ideen anstecken. Selbst wenn ein Unruhestifter oder ein Agent von Center E den Chat infiltriert, ist er völlig anonym; sie können niemanden aufspüren.' (...) Nach der Verhaftung Nawalnys im Jahr 2021 musste sich das FBK-Team mit der Führung der Organisation auseinandersetzen, da der Zugang zu ihrem Anführer zunehmend eingeschränkt wurde. Zu Beginn von Nawalnys Haftzeit schickten ihm seine Mitarbeiter mehrmals pro Woche Post. FBK-Direktor Ivan Zhdanov beschrieb, wie sie ihm 'alles, was im Internet passierte, von Screenshots einschlägiger Tweets bis hin zu Artikeln und Büchern' schickten, was es Nawalny ermöglichte, im ersten Jahr seiner Inhaftierung wirksame Entscheidungen für die FBK zu treffen. Die Korrespondenz wurde zunehmend schwieriger, da das Gefängnis die Zensur der FBK-Briefe verschärfte.(...) Doch nachdem Nawalny im Dezember 2023 in die Justizvollzugsanstalt Nr. 3 (IK-3) in Kharp, einem russischen Dorf nördlich des Polarkreises, verlegt wurde, brach die Kommunikation völlig zusammen."

Hier erklärt Nawalny 2021, wie Putin zu einem Schloss kam:

Archiv: Meduza

Projekt (Russland), 06.05.2024

Vor drei Jahren deckte Nawalnys Stiftung für Korruptionsbekämpfung auf, dass Putin in Gelendzhik einen Palast besitzt, inklusive Casino und Stripstange. Der Palast sollte in ein Hotel umgewandelt werden, Projekt findet allerdings heraus, dass es sich hier immer noch um Putins privates Anwesen handelt. "Viele Zuschauer von Nawalnys Video über den Palast fanden die Unterhaltungsbereiche besonders bemerkenswert: Es gab eine Stripstange, ein Casino und einen Raum mit Spielzeugautos und einer Miniatureisenbahn. All diese Dinge gibt es in dem 'Hotel' nicht mehr. Die Räume sind verändert worden, das ehemalige Spielzeugzimmer am stärksten. Es ist jetzt eine echte Hauskirche mit einer Triptychon-Ikonostase und einem Holzthron. Sie würde einem Bischof wie Tichon Schewkunow oder sogar Patriarch Kyrill selbst sehr gut stehen. Die Hauskirche ist wahrscheinlich der einzige Raum, in dem der Name des eigentlichen Eigentümers des Palastes im Klartext geschrieben steht. Er ist auf dem Triptychon zu sehen. Auf der linken Seite steht, wie es sich gehört, Maria, und in der Mitte Jesus Christus. Auf der rechten Seite stellen die Orthodoxen traditionell entweder Johannes den Täufer oder den Heiligen Nikolaus dar. Daher ist es völlig unerwartet, dort die Figur des Heiligen Fürsten Wladimir zu sehen. (...) Am 7. Mai hat Putins fünfte Amtszeit begonnen. Doch dieser Mann ist nicht mehr derselbe, der er in den vergangenen Jahren war. Früher interessierte er sich für weltliche Vergnügungen wie Striptease, Kasinos und Spielhallen, heute umgibt er sich mit Ikonen und Bildern des Todes."
Archiv: Projekt
Stichwörter: Putin, Wladimir

HVG (Ungarn), 09.05.2024

Der in Österreich lebende Autor und Publizist Paul Lendvai spricht im Interview mit Zsuzsanna Földvári u.a. darüber, wie die Österreicher auf Ungarn blicken: "Wenn man in Österreich die Zeitungen liest, liest man nur Schlechtes über Ungarn. Wenn man informierte Freunde hat, wird man entweder bemitleidet oder man muss sich entschuldigen. Lebt man in einem rechten Umfeld oder man hat solche Freunde oder Kollegen, wird man beneidet (...). Mein persönliches Verhältnis zu Ungarn ist gelinde gesagt kompliziert: Wenn ich von einem ungarischen sportlichen, filmisch-theatralischen, literarischen oder musikalischen Erfolg höre, bin ich glücklich und stolz. Wenn ich die zunehmend wirren Äußerungen Orbáns lese, bin ich schockiert, dass dieser Mann seit 14 Jahren praktisch frei über das Schicksal der ungarischen Nation bestimmen kann (...) Leider bedeutet der Vormarsch der sozialen Medien oft den blitzschnellen Triumph der Dummheit, angeführt von Demagogen, die sich als gebildet ausgeben oder aber von unwissenden Amateuren."
Archiv: HVG
Stichwörter: Lendvai, Paul

New Yorker (USA), 13.05.2024

In Jordanien regen sich Proteste gegen das israelische Vorgehen im Gazakrieg, Rania Abouzeid berichtet für den New Yorker über die konfligierenden Haltungen von Bevölkerung und Regierung (der Wadi-Araba-Vetrag von 1994 zum Beispiel hat eine enge Zusammenarbeit mit Israel ermöglicht), sie spricht dafür unter anderen mit dem früheren jordanischen Außenminister Marwan Muasher: "Im Januar hat das Arab Center for Research and Policy Studies in Doha die Ergebnisse der laut eigenen Aussagen ersten Umfrage zur öffentlichen Meinung zum Gaza-Konflikt in der Arabischen Welt veröffentlicht. 92 Prozent der Befragten gaben an, die Palästinenserfrage sei nicht nur die Sache der Palästinenser, sondern aller Araber, die höchste Zahl seit die Umfragen vor mehr als einem Jahrzehnt begonnen wurden. Für mehr als 75 Prozent stellen die USA und Israel 'die größte Gefahr für Sicherheit und Stabilität in der Region' dar. Zwei Drittel beschrieben die Massaker der Hamas als legitime Form des Widerstands. Muasher erklärte mir: 'Die Unterstützung für die Hamas basiert nicht auf religiösen Gründen. Heute unterstützen die meisten Christen in Jordanien die Hamas. Das kommt aus dem Gefühl, dass sie die einzigen sind, die gegen Israel aufstehen.'" Die Regierungsbehörden sind in ihrem Umgang mit den Demonstranten strenger: "Am dreizehnten aufeinanderfolgenden Tag der Proteste wurden die Demonstranten um ihre Ausweise gebeten. Minderjährige durften nicht mehr teilnehmen. Familien mit jungen Kindern wurden weggeschickt. Ich habe Polizisten gesehen, die Kuffiyah-Träger aufgefordert haben, das Tuch abzunehmen und ohne wiederzukommen oder es den Beamten zu übergeben." Die Nachfrage beim zuständigen Ministerium fördert die Aussage zutage, es habe keine Anordnungen gegeben, palästinensische Flaggen oder Kuffiyahs zu konfiszieren. Dazu noch einmal der frühere Außenminister: "Ich denke, insbesondere die Sicherheitsbehörden machen sich große Sorgen, dass solche Proteste sich gegen Jordanien, gegen das System selbst richten könnten."

David Remnick schaut sich zudem die Zeitung Haaretz an, die es als eines der wenigen hebräischen Blätter schafft, die israelisch-palästinensischen Realitäten von den zivilen Opfern der Offensive, ihrer medizinischen Behandlung, aber auch von anschwellendem Antisemitismus und den verschiedensten mächtigen Akteuren der Region abzubilden. Gerade jetzt ein entscheidender Verdienst: "Während Netanyahu derzeit damit droht, Rafah einer vollumfänglichen Militäroffensive zu unterziehen, ist es fast unmöglich, sich die Zukunft in irgendeiner klaren Art und Weise vorzustellen. Zwischen all dem Zorn, dem Tod, dem Misstrauen braucht es Anführer, Intellektuelle und Institutionen mit der nötigen Integrität und den Visionen, um aufzubauen, was schon immer notwendig war: Politische Übereinkünfte, die die grausam-harten 'Fakten vor Ort' der Besatzung nicht akzeptieren und eine organisierte Bewegung zu einer humanen und umsetzbaren Lösung, die den Israelis die Sicherheit gibt, die sie natürlich brauchen und den Palästinensern die Würde und Unabhängigkeit verschafft, die sie zu Recht einfordern."
Archiv: New Yorker